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Konzentration, bitte!

Oder - Silentium!

 

Ich bin hier mitten im Hexenkessel gelandet.

 

Die Kinder sind im Garten auf dem Trampolin und schreien herum. Nichts Besonderes... einfach nur im Spiel und um des Schreiens willen. Dem Mann neben mir geht´s heute nicht so gut und er ächzt leidend. Der Nachbar unterhält sich unüberhörbar mit dem anderen Nachbarn. Sie müssen ja so schreien - wegen des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes.

 

Die Einzige, die hier ruhig ist, ist die operierte Katze neben mir. Sie schläft ausgestreckt, mit ihrem Trichter am Kopf, der sie am Aufkratzen der Narbe hindern soll. Die Arme...

 

Problem bei der Sache ist, dass ich bei Schreierei, Ächzerei und lautstarker Unterhaltung von links unten nicht arbeiten kann. Also, ich kann natürlich schon arbeiten, aber dann ohne Konzentration und da kommt in etwa dasselbe heraus, wie... siehste, jetzt fällt mir in dem ganzen Lärm schon kein Vergleich ein.

 

Ohne Konzentration ist das also alles nüscht.

 

Und es sieht nicht so aus, als ob sich das in absehbarer Zeit ändern würde. Herr Söder hat ja schon gesagt, man solle bloß nicht glauben, dass nach Ostern alles wieder normal läuft. Speziell die Schulen - Brutorte des Virus - werden so schnell wahrscheinlich nicht geöffnet, wenn überhaupt.

Okay, er hat besänftigendere Worte dazu benutzt, man will ja in solchen Zeiten die Leute nicht überfordern oder womöglich auch noch provozieren...

 

Also, keine Aussicht auf Änderung demnächst. Im Gegenteil:

Nach Ostern beginnt die "Schule Zuhause" wieder. Eltern berichten, wie überfordert sie sich zum Teil mit der Situation des Home Office und gleichzeitig Lernstoff im Kinde verankern zu sollen, fühlen. Interessant, wie uns gleichzeitig die Bildungsbeauftragten erzählen, wie wenig das unser Auftrag sei. Wir sollten einfach nur Eltern sein, die ihren Kindern "ein wenig unter die Arme greifen"...

 

Im Internet findet man hübsche Bildchen von fröhlichen Kleinkindern auf den Schößen ihrer glücklich am Laptop arbeitenden Mamas und Papas. Mit dem Hinweis "Wie´s klappt mit dem Home Office"...

Nee, es klappt eben nicht!

 

Hallo Kultusministerium? Wie habt ihr euch das denn vorgestellt? Hat sich irgendwer mal ernsthaft mit der Frage beschäftigt, was denn ist, wenn es nach Ostern NICHT mit dem normalen Unterricht weitergeht? Mich stört die Hinhaltetaktik, die suggeriert, man KÖNNE ja einfach nicht anders, man HÄNGE eben an den Vorgaben der Politik.

 

Gibt es ein Programm, das die Eltern entlastet? (1) Habt ihr in den fünf Wochen (!), seit dieser Zustand nun schon anhält, angestrebt, einheitliche schulische Standards für diese Zeit jetzt gerade zu schaffen? 

Videochats zu installieren, in denen die Kinder in so etwas ähnliches wie einen normalen Unterricht eingebunden werden? Euer Mebis, das mal funktioniert und mal nicht, auf Vordermann zu bringen, damit man auch Montag morgens um acht mal darauf zugreifen kann, ohne in die Warteschleife geworfen zu werden?

 

Wie soll denn ein Erstklässler sich selber lesen und schreiben beibringen? Natürlich braucht er dazu die Hilfe mindestens eines Elternteils!

Wie soll ein Viertklässler sich selbst Europa beibringen, wenn die zu bearbeitenden Arbeitsblätter noch nicht mal auf dem aktuellen Stand sind (Großbritannien zum Beispiel mit drauf ist - als hätte der Brexit nie stattgefunden...).

 

Manche engagierte Lehrer haben das von sich aus schon gut gelöst. Bio-Lehrer, die ihren Schülern anhand von Videos den neuen Stoff erklärt haben. Da gab´s nicht nur neue Arbeitsblätter, sondern auch was zu gucken. VIEL besser. Und im Moment nicht anders machbar.

 

Oder Lehrerinnen, die pünktlich den Stoff für ihr Fach per Mail schickten und am nächsten Tag mit dem neuen Arbeitsauftrag auch gleich die Lösungen für den Vortag mit. Das nenne ich Struktur. So können Kinder weitgehend selbständig arbeiten.

 

Und trotzdem muss man als Eltern immer präsent sein. Ein Tag, wie er normalerweise im Büro wäre, mit der Ruhe und der Konzentration, die man vorher hatte, ist zur Zeit undenkbar.

 

Und das ist jetzt eben so.

 

Aber könnte man die Situation nun denn nicht zum Anlass nehmen, mal grundlegend etwas anders zu machen? Völlig unabhängig vom Lockdown und den Entscheidungen, wie es jetzt in der nahen Zukunft weitergeht?

 

Da könnte man doch an dem ganzen kompletten Schulsystem was drehen, oder? Hier läuft doch auch nicht alles rund. Wann kommen wir beispielsweise endlich davon weg, nur nach Leistung bewertet zu werden? Ist das das Einzige, was uns als Menschen ausmacht?

 

Vielleicht ist nun mal die Zeit, sich nicht in Floskeln zu flüchten, was denn alles gut funktioniert, sondern tatsächlich mal da hinzuschauen, wo es NICHT hinhaut. Da, wo es weh tut.

 

Und sich dann Hilfe zu holen. Von Menschen, die das Wissen und Ideen haben, wie man Dinge verbessern könnte an unseren Schulen. Die in ihren Bezirken oder Ländern vielleicht auch schon Manches reformiert haben. Es gibt diese Leute!

Man muss ihnen einfach nur mal Raum geben und ihnen zuhören. Fragen, wie man das am Besten angeht.

 

Oder mal die Kinder selber fragen, was anders sein müsste, damit sie sich wieder wohler fühlen in den Schulen. Völlig irre Idee, ich weiß...

 

Ich fand das Buch "Der tanzende Direktor" von Verena Friederike Hasel (2), die mit ihrer Familie in Neuseeland gelebt hat und erzählt, wie das mit der Schule in anderen Ländern so laufen kann, sehr informativ. Viele gute Ideen hatte auch Jesper Juul, zum Beispiel in seinem Buch "Schulinfarkt" (3). Kluge Leute mit klugen Ideen.

 

Und um gleich mal eurer Kritik zuvor zu kommen. Falls ihr jetzt denkt, ich habe ein Patentrezept: Nein, habe ich nicht.

 

Und das ist auch gar nicht mein Bereich. Dafür gibt´s Fachleute.

Ich bin weder Lehrer, noch Pädagoge, noch Politiker. Ich persönlich weiß auch nur zu geringen Teilen, an welchen Stellschräubchen man drehen müsste oder könnte, um Dinge anders zu gestalten.

Ich bemerke aber durchaus, dass in der Schule nicht alles glatt läuft. Und das geht nicht nur mir so. Das höre ich täglich von sooo vielen anderen Eltern. Viele fühlen sich alleine gelassen.

 

Und sagt nicht gleich wieder: Ja, alles schön und gut, aber in Deutschland ist das nicht so leicht umsetzbar. Warum eigentlich nicht? Und wenn nicht so, dann eben anders...

Neue Ideen braucht das Land!

 

Wenn nicht jetzt, wann dann?

 

Blog - Konzentration, bitte - Pusteblume

So, und was ist jetzt mit der Konzentration?

 

Um arbeiten zu können, braucht man Ruhe. Und Zeit. Und Konzentration. Einmal aus selbiger gerissen, dauert es zehn bis fünfzehn Minuten, um wieder in den Zustand dieser konzentrierten Versunkenheit zu gelangen. Fünfzehn Minuten, in denen bereits dreimal das Kind wieder unterbrochen hat, weil es die Aufgaben, die es bearbeiten soll, nicht versteht. Oder seinen Ordner nicht findet. Oder eine Frage zu Europa hat. Oder dringend an den Computer muss, um ein Wort auf Englisch, dass es im Dictionary nicht fand, zu suchen... und und und...

 

Konzentration - derzeit unmöglich.

 

Oder?

 

Ein kleiner Tipp, der mir manchmal hilft:
Wenn Geräusche, Störungen da sind und diese sich nicht abstellen lassen, akzeptiere sie. Gib ihnen die Erlaubnis, da zu sein.

 

Sich ständig gegen Unterbrechungen zu wehren ("Das ist so laut, das hält ja kein Mensch aus!"), führt zu innerem Angespanntsein und dazu, diese noch stärker wahrzunehmen und deine Konzentration noch länger zu beeinträchtigen.

 

Die Störung hingegen zu akzeptieren und das Geräusch einfach vorbeiziehen zu lassen, lässt den Fokus auf dir und deiner Arbeit. Du kannst es dir gerne als Wolke vorstellen, die langsam vorüber zieht.

 

Wenn alles nicht hilft: Ohropax können auch Geräusche ausblenden. :-)

 

Und all das Andere... wird die Zukunft zeigen.

 

Alles Gute.

 

Deine Daniela

 

Quelle:

1. "Eltern fordern Verbesserungen beim Fernunterricht", BR24, 14.04.2020

2. "Der tanzende Direktor", Verena Friederike Hasel, Kein & Aber Verlag, 2019

3. "Schulinfarkt", Jesper Juul, Kösel-Verlag, 2013

 


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© 2020 - Daniela Bezold

 

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