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Woche 2 - Gedankenkarussel

oder

Willkommen im Irrenhaus

 

Lesezeit: 5 Minuten

 

Wie soll man denn überhaupt einen klaren Gedanken fassen zur Zeit?

 

Ständig kommt eine neue Info rein, eine gestern noch als sicher geltende Gewissheit ist heute plötzlich von gestern.

 

Das Gedankenkarussel dreht...

 

Nachrichten ploppen auf meinem Handybildschirm auf und wollen gelesen werden - das Telefon klingelt - die Kinder rufen mich - der Computer wartet - das Essen müsste gekocht werden - was mache ich als Erstes? - wem wende ich mich zu? - schon wieder hat eines der Kinder eine Frage, Schule Zuhause - die Katze miaut nach Futter - die andere, weil sie raus will - der Postbote klingelt - Oh, Papierstau im Drucker - und schon wieder das Telefon - was wollte ich gerade nochmal schreiben? - "Mama, wie schreibt man ´kriechen´?" - geduldig bleiben, durchatmen - mich wieder meiner Arbeit zuwenden - was war gerade nochmal meine Arbeit, was habe ich als Letztes gemacht? - "Mama, ich habe keine Lust mehr, was für die Schule zu machen, warum machen die jetzt nicht einfach Ferien??" - längere Diskussion - mich beruhigen, durchatmen - mich wieder der Arbeit zuwenden - was war gerade nochmal meine Arbeit, was habe ich als Letztes gemacht? - das Kind fängt an zu singen, sehr laut - .....

 

RUHEEEEE!!!

 

Und genau so wie bei uns sieht es mit Sicherheit auch in einigen anderen Haushalten zur Zeit aus. Du siehst also: Du bist nicht allein in dem Wahnsinn.

 

Von außen werden wir ermahnt:

Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Das geht jetzt eben nicht anders.

 

Sie haben Recht.

 

Die Menschen sind ratlos. Alle Struktur, alles, was dem Alltag bisher Halt bot, ist plötzlich weg. Die Schulen haben zu, viele Geschäfte sind geschlossen, von der Arbeit wurden wir freigestellt.

Wie soll es weitergehen?

 

Der Hamsterkauf von Klopapier ist für mich so ein Indiz. Wenigstens etwas Verlässliches in diesen unbeständigen Zeiten. Der tägliche Toilettengang immerhin bleibt. Und weil ich unbedingt noch mehr Verlässlichkeit brauche, kaufe ich eben noch mehr Klopapier.

Aber das hier nur am Rande. Wer ein wenig Licht in dieses Rollen-Spiel bringen möchte, dem sei die Kolumne von Thomas Schmoll (aus der Schmoll-Ecke) (1) empfohlen... ;-)

 

Aber wie bekomme ich nun wieder einen Rahmen um meinen Alltag?

 

Der erste Schritt ist vielleicht, es einfach zuzulassen, dass jetzt eine Weile das Chaos regiert, unsere Tage sich erst neu strukturieren müssen. Es einfach annehmen, wie es gerade ist.

 

Hey, wir wurden von 110 auf 0 km/h gebeamt!

 

Von ewiger Terminhetzerei auf fast völligen Stillstand gebracht.

Alles, was wir vorher sollten, ja, unbedingt mussten, dürfen wir nun nicht mehr:

Rausgehen, arbeiten, uns mit Freunden treffen, konsumieren.

 

Stattdessen: Zuhause bleiben.

 

Home Office. "Nebenbei" deine Kinder unterrichten. Den Spagat zwischen den Arbeitsaufträgen für deinen Chef und den Bedürfnissen deines Kindes hinbekommen.

 

Oder, falls du in einem "systemrelevanten" Beruf arbeitest: Den Spagat zwischen deiner aufreibenden Tätigkeit hinzukriegen und die Zettelwirtschaft für die Notbetreuung deiner Kinder. Die ständige nervliche Anspannung.

Die Angst vor Ansteckung.

 

Oder die Menschen, die alleine sind: Mit der plötzlichen Langsamkeit zurecht kommen. Mit der Einsamkeit. Nicht mehr einfach rausgehen zu können, um andere Menschen zu sehen.

Die Angst vor Ansteckung.

 

Die Menschen, deren Job plötzlich nicht mehr sicher ist.

Die Angst vor der Erwerbslosigkeit.

 

Wie können wir mit all den Anforderungen umgehen?

 

Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst.

 

Ich kann dir nur sagen, was ich tue:

  • Jeden Tag eine halbe Stunde laufen gehen. Einfach loslaufen. Nicht joggen. Nur schnell laufen. So kommt man außer Atem und auf andere Gedanken. Manchmal sogar auf Gedanken, die ich dann zu späterer Stunde aufschreiben kann. Bewegung hilft nachweislich gegen Verstimmungszustände und inneres Angespanntsein. Und es gibt frische Luft da draußen, nicht zu vergessen.
  • Zwischendurch einfach mal einen Kaffee machen und mich damit auf die Treppe setzen. Und in den Baum gegenüber schauen. Ich denke, er hat nichts dagegen, wenn er angestarrt wird.
  • Immer mal wieder kurz setzen. Die Augen schließen und tief Luft holen, einen Moment halten und dann wieder ausatmen.
  • Ein Stück Obst essen. Der daraufhin ansteigende Blutzucker lässt das Gehirn wieder besser denken.
  • Kaugummi kauen. Das Gehirn lässt sich nämlich auch gerne ein bisschen an der Nase herumführen (zumindest kurz) und spricht auf die Kaubewegungen mit ähnlicher Aktivität an, als wenn ich tatsächlich etwas essen würde. Allerdings reagiert der Magen dann etwas verschnupft, wenn er merkt, dass nicht wirklich etwas Leckeres kommt und macht mir Hunger. :-)
  • Wenn mir wirklich alles zuviel wird, dann... ja, dann weine ich und lasse damit die Anspannung und die Hilflosigkeit raus. Das darf schon mal sein.

 

Und weißt du, was mir unglaublich hilft?

Wie freundlich und zugewandt die Menschen in Angesicht der Tatsachen miteinander umgehen. Immer wieder bekomme ich ermutigende Worte, Bilder oder Videos geschickt (Danke, liebe "Lebensgeister"), wie diesen Text hier zum Beispiel (Vielen Dank, lieber K.):

 

"Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise vorbei ist." (2)

 

Das macht mir Mut, dass wir alle gestärkt hier heraus gehen.

 

Also:
Ich muss das nicht alles auf einmal schaffen.

Und du auch nicht.

 

Es ist schwer, das Alte loszulassen und das Neue zu.

Und bis das Neue wieder Gewohnheit wird, dauert es ein wenig.

 

Lassen wir uns die Zeit.

Wie sagte neulich die Verkäuferin im Lebensmittelladen?

Wenn wir jetzt etwas sehr viel haben, dann ist es Zeit.

 

Wenn du magst, dann schreibe mir doch, wie du das machst?

Halt und Ruhe in deinen Alltag zu bringen.

Die überall spürbare Furcht zu relativieren.

 

Gerne in die Kommentarspalte.

Oder per Email.

 

Vielen Dank dafür.

Bleibe gesund!

 

Deine Daniela

 

Quellen:

1. "Aus der Schmoll-Ecke: Verhungern - aber nur mit sauberem Arsch", ntv, 21.03.2020

2. "Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise vorbei ist", Passauer neue Presse, 24.03.2020


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© 2020 - Daniela Bezold

 

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